Der Moment, auf den ich so lange hingearbeitet hatte, war endlich da. Doch mein Abenteuer begann im Januar, nachdem ich mich angemeldet hatte und begann mich intensiver mit dem Luftsport zu beschäftigen. Die Wintermonate standen im Zeichen der Theorie, der Technik und der Wartung der Flugzeuge. In dieser Zeit lernte ich unglaublich viel – von der Reparatur bis hin zu regelmäßigen Wartungsarbeiten. Diese Zeit war essenziell, um ein tiefes Verständnis für die Maschinen zu entwickeln, die uns sicher in die Luft und wieder auf den Boden bringen sollen.
#### Die ersten Flugversuche
Mein Einstieg in den Flugsport begann bereits im Jahr zuvor, als Schnupperer. Ein „Schnupperer“ ist ein neues Mitglied, das erst einmal ausprobieren will, ob der Segelflugsport wirklich etwas für ihn oder sie ist. Am Anfang lief nicht alles so, wie ich es mir vorgestellt hatte. Doch mit Geduld und Übung wurde ich von Flug zu Flug besser.
Eines Tages kam der Moment, der meine Nerven auf eine harte Probe stellen sollte. Wir waren schon gestartet, als mein Fluglehrer plötzlich sagte: „Ja, dann mach mal.“ Ich war überrascht, da ich plötzlich die volle Kontrolle hatte, auch wenn der Lehrer jederzeit eingreifen konnte. Aber dieser Moment zeigte mir, dass ich bereit war. Es war das erste Mal, dass ich mich wirklich herausgefordert fühlte, und ich wusste, dass ich die Situation meistern konnte.
#### Herausforderungen im Lehrgang
Die nächste große Chance kam während des Lehrgangs. Ich war weit genug fortgeschritten, um den zweiten Fallschirm aus der Maschine zu entfernen – ein Zeichen, dass es ein Freiflug wird. Ich dachte es sei nicht mein Freiflug-Moment, sondern der meiner Freundin Daniela. Letztendlich sollte es anders kommen, denn es war mein Freiflug geplant. Leider war mir bewusst, dass mir noch das Medical, also die fliegerärztliche Tauglichkeit, fehlte, so musste ich den Fallschirm wieder einbauen.
Kurz nach dem Lehrgang hatte ich dann mein Medical und ein weiterer Monat verstrich, in dem ich darauf wartete mich freizufliegen. Yannik, ein weiterer Freund und ich, begannen an der ASK 13 die Tage zu zählen, an denen das Wetter für einen Freiflug günstig war. Wir fieberten zusammen auf diesen Moment hin.
Die letzten beiden Wochenenden vor unserem großen Tag waren besonders herausfordernd. Mehrere Fluglehrer erinnerten mich daran, dass man im Flugsport niemals zu sicher sein sollte. Jede Erfahrung brachte mich einen Schritt näher an mein Ziel.
#### Der große Tag
Dann kam der Tag, an dem alles passte. Yannik und ich wussten: Heute könnte es endlich soweit sein. Das Wetter war perfekt. Yannik war als Erster dran. Ich sah ihm zu, wie er alleine im Cockpit saß, konzentriert und ruhig. Er flog drei wunderschöne Platzrunden und landete sicher. Nachdem wir den Flieger zurück zum Start geschoben hatten, wurde ich gefragt, wie ich mich fühle. Zunächst verstand ich gar nicht, warum mir diese Frage gestellt wurde. Ich antwortete ehrlich: „Ich bin nervös, aber beim Fliegen fühle ich mich gut.“ Erst in diesem Moment realisierte ich, dass ich als Nächster dran war.
Der Moment, als die Haube des Cockpits geschlossen und das Seil eingeklinkt wurde, war einer der aufregendsten in meinem Leben. Doch sobald der Flieger zu rollen begann, kehrte die Routine zurück. Alles, was folgte, war vertraut. Ich hatte diesen Ablauf schon unzählige Male durchlaufen. Doch die Ruhe, die ich in diesem Moment verspürte, als ich zum ersten Mal ganz alleine im Cockpit saß, war etwas ganz Besonderes. Man ist vollkommen auf sich fokussiert und die Ruhe in sich selbst.
Mein erster Flug war kurz, mit einer Ausklinkhöhe von 410 Metern und einem konstanten Sinken von einem Meter pro Sekunde. Beim zweiten Flug erwischte ich jedoch einen Bart (eine Thermikblase) und konnte auf 650 Meter steigen. Der dritte Flug war dann nur noch die Kirsche auf der Torte, auch wenn ich bei der Landung am meisten aufgeregt war.
#### Der Erfolg – Endlich freigeflogen!
Nachdem ich gelandet war und auch ich zurückgeschoben wurde, fühlte ich mich überglücklich. Zwei Mal stand ich kurz davor, aber jetzt war es endlich soweit: Ich durfte offiziell alleine fliegen. Yannik ging es genauso. Nun war es Zeit zu feiern – und das taten wir auch gebührend.
#### Traditionen und Rituale
Zum Abschluss dieses besonderen Tages gehören im Flugsport einige Rituale. Traditionell gibt man als Freiflieger eine Kiste Bier für alle Beteiligten aus und bekommt einen Blumenstrauß aus Disteln überreicht. Der Distelstrauß für das Feingefühl in der Hand, dass man das Flugzeug in der Luft mit Gefühl steuert.
Dieser Tag wird mir immer in Erinnerung bleiben. Er war der Höhepunkt vieler Monate harter Arbeit und intensiven Trainings. Doch es soll erst der Anfang meiner Reise als Segelflieger sein. Die Freiheit, alleine durch die Luft zu gleiten, ist unbeschreiblich und gibt mir jedes Mal ein Gefühl der Unabhängigkeit und des inneren Friedens. Ich freue mich auf viele weitere Flüge, Herausforderungen und Erfolge in den kommenden Jahren.
Text: Mike Thieke