380km Luftlinie entfernt von unserem Heimatflugplatz in Barge packen wir unsere Flugzeuge und Zelte aus. Der Startschuss in unseren Sommerlehrgang ist gesetzt.
Am Samstag, den 27. Juli, sind wir nach und nach am Fliegerklub Wittstock eingetrudelt. Der Flugplatz in Brandenburg ist für viele von uns schon gut bekannt. Seit 2012 sind wir schon das fünfte Mal hier und freuen uns stets über das Wiedersehen. Zelte, Wohnwagen und Wohnmobile aufgestellt und eingerichtet, konnten wir uns unseren liebsten Gegenständen widmen: unseren Flugzeuge.
Diese waren für die Fahrt quer durch Deutschland sicher in Anhängern verstaut. Nun galt es also die Flieger wieder sorgfältig zusammen zu stecken und flugklar zu machen.
Für den Transport werden die Flügel, Flügelspitzen und das Höhenleitwerk vom Flugzeugrumpf abgenommen. Beim Aufrüsten ziehen wir dann zuerst den Rumpf aus dem Anhänger. Dann können nacheinander die beiden Flächen (= Flügel) aus dem Anhänger gezogen und in den Rumpf gesteckt werden. Dies ist der kraftaufwendigste Prozessschritt. Je nach Flugzeug braucht man hierfür bis zu 4 Personen pro Fläche. Befestigt werden die beiden Flächen innerhalb des Rumpfes mit den sogenannten Hauptbolzen. Im Anschluss können noch die Winglets und das Höhenleitwerk angesteckt werden. Schon steht der Flieger wieder in seiner vollen Pracht da.
Der Flugplatz in Wittstock ist deutlich größer als unserer in Barge. Mit 1600 Meter Schleppstrecke und 1000 Meter Breite könnte man hier quasi auch quer landen. Neben der Windenschleppstrecke gibt es noch die Motorbahn mit der Ausrichtung 05/23.
Im Anschluss an ein kurzes Briefing vor dem gemeinsamen Flugbetrieb mit unseren Freunden vom Fliegerklub Wittstock, ziehen wir die aufgerüsteten Segelflugzeuge an den Start, bauen den Startwagen auf und fahren die Winde an das andere Flugplatzende. Dann kann es auch schon richtig losgehen. Eingeklinkt, Seil gestrafft, dann beginnt der gefühlt unendliche Windenstart. Mindestens 500m Ausklinkhöhe geben uns mit jedem Schlepp die besten Voraussetzungen für einen tollen Flug. In und um Wittstock ist der Ausblick geprägt von riesigen Wäldern, wunderschönen Seen und unendlichen Weiten. Eine der auffälligsten Landmarken ist der Müritz See. Mit seinen 117 km² kann man die Müritz auch aus der Ferne noch gut erkennen. Darüber zu fliegen, fühlt sich beinahe an, als sei man am Meer angekommen. Am Boden helfen wir uns gegenseitig die Flieger an den Start oder aus dem Landefeld zu schieben. Gut versorgt vom Clubraumdienst gibt es mittags oft Wassermelone, geschmierte Brötchen oder auch frisch gekochtes Chili. Das Highlight nach jedem Flugtag ist die lange Landung auf der Motorbahn 23. Diese bringt uns direkt vor die Hallentore. Ohne Hindernisse im Endanflug gleiten wir während der Landung in Bodennähe entlang der Landereiter in den Sonnenuntergang.
Nachdem wir gemeinsam die Flieger putzen und sorgfältig einhallen, wird gegen 19:30 zu Abend gegessen und von den tagesaktuellen, fliegerischen Erlebnissen erzählt. Von Freiflügen, über erste Flüge mit neuen Flugzeugtypen und Schein-Reaktivierungen, zu Strecken- und Kunstflug-Errungenschaften ist hier alles mit dabei. Nach dem Abendessen ist noch lange nicht Schluss. Abgesehen von dem Holz-Hol-Team, dass mit dem Multicar mutig in den Wald abtaucht, zieht es uns zur Motorbahn, wo wir den Tag mit F-Schlepps durch den Abendhimmel abrunden. Ist der letzte Segelflieger gelandet, finden wir uns gemütlich am Lagerfeuer ein. Bei Gitarrenmusik genießen wir unter dem sternklaren Himmel die Geschichten unserer Vereinskameraden.
So oder so ähnlich sieht ein klassischer Tag im Lehrgang aus. Die besonderen Erlebnisse sorgen dafür, dass viele Tage gar nicht so klassisch sind, sondern von Einzelnen wohl im Langzeitgedächtnis als fliegerische Schlüsselerinnerung aufbewahrt werden. So flogen zum Beispiel Tom, Daniela und Laura während des Lehrgangs zum ersten Mal allein. Eine der tollsten Erinnerung eines jeden Piloten/in. Unsere Freiflieger:innen werden traditionell nach der letzten von drei Alleinfluglandungen in der ASK 13 sitzend zurück zum Start geschoben und abends gebührend gefeiert. Zum Freiflugritual gehört ein wunderschöner Distelstrauch, der feierlich vom Fluglehrer überreicht wird und das nötige Fingerspitzengefühl für feine Knüppelbewegungen verfeinern soll. Alle am Flugplatz Anwesenden dürfen dann nochmal herzlich gratulieren.
Nicht nur Freiflüge gehören zu den Highlights im Lehrgang. Ganz Mutige steigen zu Kunstflügen in die Segelflieger ein. Besonders beliebt ist der CO-Piloten Platz bei doppelsitzigem Kunstflug. Für diesen war im Lehrgang die DG 1001 neo sogar etwas beliebter als unsere eigene ASK 21. Die DG 1001 neo haben wir für 14 Tage vom Förderverein NRW gechartert, um noch zwei Sitzplätze mehr im Lehrgang zur Verfügung stellen zu können. Da die DG 1001 nicht zu unserem täglichen Flugzeug-Repertoire gehört, wurde sie von uns mit großem Interesse unter die Lupe genommen. Der Segelflieger ist, wenn man die langen „Öhrchen“, also die Flächenenden, abnimmt, voll kunstflugtauglich und wurde daher des Öfteren vom Motorsegler für lange Kunstflüge in die Höhe gezogen.
Neue Flugzeugtypen zu fliegen ist besonders spannend und ein so wunderbar großer Flugplatz wie Wittstock bietet die optimalen Bedingungen sich mit einem neuen Segelflugzeug vertraut machen. Wie zum Beispiel Paul, der direkt bei seinem ersten LS 8 Start mehr als drei Stunden in der Luft blieb.
Auch das Meer ist von hier für uns Segelflieger erreichbar. Christopher und Markus haben sich den Wunsch erfüllt und sich die Ostsee mal aus der Höhe angesehen. Alternativ geht es auch einfach auf dem Landweg mit dem Auto. So ist man schnell im hübschen Warnemünde. Einen Tagesausflug zum Strand, um mal die Seele in einer Strandbar baumeln zu lassen, haben sich einige von uns daher auch nicht nehmen lassen. Für diejenigen, die nicht bis zum Meer fahren wollten, aber trotzdem eine Abkühlung brauchten, reichte eine 20-minütige Radtour zum nahegelegenen Badesee. Im erfrischenden und klaren Wasser treibend, die Segelflieger am Himmel zu beobachten fühlt sich so richtig nach Sommer an.
Streckenflugtechnisch gibt es wieder einige tolle Flüge zu verzeichnen. Obwohl uns das Wetter nicht die beste Thermik beschert hat, sind Noa und Linus 540km im Teamflug bis nach Cottbus und zurück geflogen. Teamflug heißt in diesem Fall, dass die beiden jeweils in einem Einsitzer saßen und während des Fluges über Funk kommuniziert haben. Ist einem ein so langer Flug im Einsitzer zu einsam, kann man auch einen Doppelsitzer nehmen, so wie Fabian. Er ist zusammen mit Basti im Duo Discus XL bis nach Frankfurt (Oder) an der polnisch-deutschen Grenze geflogen und hat so insgesamt 400km zurückgelegt. Alternativ kann man sich auch ganz allein auf den Weg machen, um mal 5-6h Ruhe zu genießen, wie Maxi es in der ASG 29 gemacht hat und dabei ein über 500km langes Dreieck rund um Berlin gezeichnet hat. Das sind nur ein paar wenige Beispiele der schönen Streckenflüge, die wir während des Lehrgangs erleben durften.
Mein persönliches Highlight ist und bleibt das abendliche Landen auf die Piste 23. In meinem ersten Lehrgang 2012 hat unser Fluglehrer Jens noch an der Halbbahnmarkierung mit dem Fahrrad auf mich gewartet, um meine Landung als Schülerin in der Ka 8 zu beobachten. Heute spüre ich immer noch das gleiche wunderbare Kribbeln, wenn ich mit der LS 8 in der Abendsonne zur Landung gleite.
Wittstock bietet uns die optimalen Bedingungen für einen traumhaften Sommerlehrgang. Unsere 60 Lehrgangsteilnehmer, die Flugzeuge und die Winde sind mittlerweile wieder zurück in der Heimat und wir freuen uns jetzt schon auf das nächste Mal.
Text: Johanna Maria Böhm